Besprechung "modellfallmatthäus"
a+b 3/2007S. 29 f.
Die allenthalben spürbare neue Sehnsucht nach heiligen Räume nötigt die reformatorischen Kirchen, wenn nicht zum Umdenken, so doch zumindest, sich mehr denn je zu beschäftigen: mit den "Leuchttürmen, Merkzeichen-Mahnwachen, die im öffentlichen Raum für den Gottesfrieden einstehen, der höher ist als alle Vernunft" (Wolfgang Huber).
Anlässlich und im Vorfeld des 25. Deutschen Kirchbautags im Herbst 2005 in Stuttgart gingen Architektur- und Design-Studierende der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart sowie Studierende der Evangelischen Fakultät der Universität Tübingen neue Wege im Umgang mit Kirchenräumen. Gemeinsam schufen sie den "modellfallmatthäus", an und in der Stuttgarter Matthäuskirche.
Das reichlich bebilderte Buch dokumentiert den Modellfall, es will "einen intelligenten und innovativen Umgang" mit Kirchenräumen zeigen, der sich auch gestattet, erst über Umwege zum Ziel zu gelangen.
Die an dem Projekt Beteiligten schreiben selbst. Etwa wie sie die Rollen tauschen, so dass Architekten Kirche in Worten entwerfen und Theologen dazu Modelle bauen. Oder, wie – entsprechend dem Verständnis des Kirchenbaus als Organismus – das Herz der Kirche, ihre Achsenstruktur, neu ausgerichtet wird. Andere verdichten, akzentuieren und erweitern das Kircheninnere durch Hinzufügung neuer Ebenen und Raumkörper. Es entstehen Bereiche für Musik, Cafe, Kinderkirche, Gottesdienst und Ausstellungen.
Die Autorinnen und Autoren erörtern den Kirchenraum hinsichtlich seiner Erinnerungskraft oder diskutieren kontrovers seine inhärente Heiligkeit versus Heiligkeit allein qua Interaktion zwischen Raum und Rezipient. Schließlich veranstalteten so genannte Kirchentrojaner in der Kirche und ihrer Umgebung irritierende Aktionen: Sie nahmen die Gesangbücher vom Eingang weg und ließen diese von der Gemeinde am Altar entnehmen, oder sie trugen Kirchenbänke an eine U-Bahn-Station und sangen dort Kirchenlieder.
Im abschließenden Gespräch mit der Gemeindepfarrerin wird deutlich, wie wertvoll die Interventionen für die Gemeinde waren, so dass tatsächlich Veränderungen in Gang gekommen sind, ohne die Kirche ihrem Zweck zu entfremden. Der Kirchbautag erhofft sich Nachahmer dessen, was in dem Buch geschildert wird, welches zweifellos eine starke Inspiration sein kann.
Helmut Liebs
* Alle Preise verstehen sich inkl. 7% MWST zuzgl. Porto- und Versandkosten (derzeit 1,50 EUR), Widerrufsbelehrung: s. > AGB und > hier, Datenschutz s. > hier